WELCOME TO THE GANG, MISAVA!
Was ist denn eigentlich „meine Geschichte“?
Wer ist eigentlich Misava?
Viele würden sagen, dass Misava eine lebensfrohe junge Frau ist, die sich super gerne mit Themen der ganzheitlichen Gesundheit beschäftigt und Antworten auf alle möglichen Ernährungsfragen weiß. Aber ist das alles? Ist das meine Geschichte?
Vor allem im Social Media Bereich sieht und hört man ja schon echt viel von Menschen, aber ich möchte mit diesem Beitrag zeigen: Das ist immer nur ein Teil aus dem Leben.
Ich habe mich dazu entschieden, für diesen Beitrag die ganzheitliche Gesundheit nur indirekt zu erwähnen.
In meiner Geschichte geht es heute um ein anderes Thema:
- Sterben und Tod –
Ich bin in einem Mehrgenerationensystem aufgewachsen, ein schönes, großes Haus mit Blick auf Wald und manchmal sogar Gruppen von Rehen, die entspannt auf der Wiese grasten.
Der Gedanke, dass ich all das irgendwann nicht mehr haben könnte, kam manchmal, aber meist lebte ich doch einfach im Moment.
Wenn ich jetzt manchmal in der ehemaligen Wohnung von Oma und Opa bin, kann ich es gar nicht fassen, dass ich damals so unbedarft war, obwohl doch Jede*r weiß, wie verdammt vergänglich diese ganze Welt ist.
Die Zeit bis zum Tod meiner Oma war eine der intensivsten emotionalsten, aber auch lehrreichsten in meinem Leben. Ich habe viele Stunden im Krankenhaus, auf der Palliativstation und zuletzt zu Hause an ihrem Pflegebett verbracht. In irgendeiner Art haben wir alle darauf gewartet oder uns eingebildet, dass wir damit rechnen. Als der Tag dann kam und meine Mama mich morgens weckte, um mir zu sagen, dass Oma in der Nacht verstorben ist, waren all meine „ich bereite mich schon mal mental darauf vor – Absichten“ wie weggeblasen.
Was macht man an dem Tag, wenn eine geliebte Person verstorben ist?
In meiner Vorstellung war dieser Tag immer ein höchst emotionaler Tag, an dem man viel weint, alleine oder mit seinen Liebsten ist und sich Zeit für sich nimmt.
In der Realität sieht es aber ganz anders aus. Es ist ein Tag, an dem man wie oben erwähnt, einfach immer wieder versucht zu funktionieren, nachdem die Tränen und Emotionen deine Sicht und Gedanken ganz verschwommen gemacht haben.
Beispielsweise fand ich mich gemeinsam mit meiner Mama im Schlafzimmer wieder und wir wählten zusammen Omas letztes Outfit aus und nachdem ich eine lange Zeit einfach nur neben „ihr“ am Pflegebett saß, klingelte das letzte Mal jemand an der Tür, der zu meiner Oma wollte: Zwei Männer vom Bestattungsamt.
Ich setzte mich auf die kalte Steintreppe und wartete. Ich wartete auf einen Moment, von dem ich erst jetzt im Nachhinein wusste, dass dieser für immer in meinem Kopf gefangen sein wird.
Zwei Männer trugen einen Sarg an mir vorbei.
Ich saß da auf der kalten Steintreppe und verabschiedete mich im Stillen.
In den darauffolgenden Tagen war endlich ein wenig Zeit für Gespräche. An dieser Stelle möchte ich auch endlich mal meine Intention dieses Beitrags mit dir teilen.
Ja, dieses Thema ist höchstemotional und traurig, aber es gehört so sehr zum Leben dazu. Ich bin so so dankbar, dass ich in dieser Zeit Menschen um mich hatte, mit denen ich offen reden konnte, – das hat mir am besten geholfen, damit umzugehen.
Meine Oma hat sich beispielsweise auch gewünscht, dass ich an ihrer Beerdigung singe. Diesen letzten Wunsch konnte ich ihr nur erfüllen, weil wir darüber geredet haben. (Und, es war eine der Momente, in denen ich wieder mal selbst von mir überrascht war, was mentale Stärke bedeutet – pünktlich beim letzten Ton des Liedes „Talking to the Moon“ von Bruno Mars konnte ich meine Tränen gar nicht und mein Schluchzen nur sehr schwer zurückhalten. Aber eben erst danach).
Was ich dir mit auf den Weg geben möchte, bevor wir zu meinem Opa kommen:
Sprich über das Leben, aber sprich auch über den Tod, bevor es zu spät ist.
Er gehört zum Leben dazu und verbindet uns mit unseren tiefsten Emotionen.
Wir hatten noch zwei schöne weitere Jahre mit Opa, aber auch da kam irgendwann der Punkt, an dem wir uns eingestehen mussten: Bald wird er uns verlassen.
Zitat Opa: „Besser ein Ende mit Schrecken, als ein Schrecken ohne Ende“
Ich habe es die Tage davor schon gespürt und bin deshalb direkt nach der Schule aus Marburg zu ihm gefahren. Da lag also mein Opa in einem Krankenhausbett irgendwie schon noch da, aber der aktive Teil war trotzdem schon wie gestorben. Harte Worte, aber leider wahr. Und genau deshalb haben wir diese Entscheidung getroffen und ich bin mir sicher, dass es seinem Willen entsprach: Alle Geräte abschalten keine Magensonde, die sein Leben sinnlos verlängern würde und eine palliative Therapie.
Mein Opa hatte im August Geburtstag und war demzufolge Sternzeichen Löwe, deshalb gab es von mir jedes Jahr ein Geschenk mit einem Löwen. Zum 70. Geburtstag beispielsweise einen kleinen Plüschlöwen.
Am Morgen, nachdem wir die Entscheidung getroffen hatten, ihn nur noch palliativ behandeln zu lassen, packte ich also folgende zwei Dinge in meine Tasche: Ein Foto, welches ihn, meine Oma und meinen kleinen Neffen zeigte und den kleinen Löwen. Dann fuhr ich noch mal alleine ins Krankenhaus.
Dort angekommen setzte ich mich neben ihn und erzählte alles, was ich noch loswerden wollte. Eine einzige Reaktion gab es, als ich ihm das Foto zeigte – ein leichtes Hochheben der Augenbrauen.
Den kleinen Löwen setzte ich ihm in die Hand, denn ich wollte ihm sagen: „Auch, wenn ich jetzt gleich gehe, – du bist nicht allein“.
Tagtäglich öffnet und schließt man Türen, aber das Gefühl von „ich werde jetzt diese Tür schließen und dich danach nicht mehr – nie mehr – lebendig sehen“, werde ich wohl auch nie vergessen.
Damit, dass ich die Tür spätestens nach 30 Minuten wieder öffnen würde, hatte ich aber trotzdem nicht gerechnet.
Ich hatte eine Univeranstaltung an diesem Tag und war gerade 10 Minuten auf der Autobahn, als mein Handy aufleuchtete und ich sah, dass es eine Nachricht von Mama war.
Bei der nächsten Gelegenheit hielt ich also an und las die Nachricht: „Opa ist gerade gestorben. Die Ärztin sagt, er hatte ein Plüschtier in der Hand“.
Ich drehte so schnell ich konnte um, parkte auf dem Parkplatz des Krankenhauses, rief sogar noch auf dem Parkplatz bei der Uni an, um mich abzumelden und benachrichtigte meine Freunde (Thema: Man funktioniert dann erst mal) und rannte auf die Station. Während ich so rannte, kam da schon der Gedanke auf, warum ich das gerade tue, denn weglaufen würde mein Opa ja nicht mehr, aber es fühlte sich in dem Moment richtig an – beim Trauern ist genau das richtig, was sich intuitiv richtig anfühlt.
Unbemerkt ging ich also mit schnellen Schritten auf die Station, öffnete die Tür, sah den Körper meines Opas - in der Hand ein kleiner Löwe - und weinte – was auch sonst.
Ich weiß ehrlich gesagt nicht, wie lange ich da saß, weinte, mit mir redete, mit ihm redete und die Situation versuchte zu verarbeiten.
„Ganz ehrlich, Opa, warum wolltest du denn nicht Sterben als ich da war?“ – Darf man so was denken? Ich weiß es nicht. Aber das Gefühl, dass ich die Tür hinter mir zumachte und er direkt verstarb, lässt mich nicht los. Manchmal sage ich auch, dass ich dabei war, als mein Opa verstorben ist, denn ohne Zweifel, ich war in seiner letzten Stunde noch bei ihm.
Irgendwann hörte ich hinter mir eine vertraute Stimme. Es war meine Mama, die ganz verwundert war, dass ich auch da war. Um ehrlich zu sein, habe ich mich auch mit Absicht recht unbemerkt in das Zimmer geschlichen. Für Organisationskram und Fragen oder Beileidsbekundungen war es einfach noch zu früh.
An dieser Stelle Take Home Message an dich: Sprich am besten jetzt schon mit deinen Angehörigen, denn sei dir gewiss, egal wie und wann: Der Tod wird kommen. Und dass diese Aussage dir gerade wahrscheinlich Angst macht, zeigt auch, dass wir in diesem Bereich noch viel aufzuarbeiten haben.
Während des Trauerns werden verschiedene Emotionen aufkommen. Bei mir war da zuerst das dominierende Gefühl „funktionieren zu müssen“ und „für meine Familie da sein zu müssen“. Manchmal ist da auch das Gefühl von Überforderung, ein schlechtes Gewissen (weil ich mich auf einmal gefragt habe, ob ich wirklich alles, was ich noch sagen wollte, zu ihnen gesagt habe), Angst, dass man die gemeinsamen Erinnerungen zu schnell verliert, eine tiefe Traurigkeit, aber teilweise war da auch Erleichterung. Eine Erleichterung, dass die beiden nicht mehr leiden müssen. Und am Ende bleibt eigentlich nur eine Emotion: tiefe, unendliche Liebe. Mit der Zeit habe ich es geschafft, diese Liebe in ein rein positives Gefühl umzuwandeln. Aber das dauert: Gib dir die Zeit, die du brauchst und lasse dir nicht von anderen einreden, wie du zu trauern hast. Der Gedanke, der mir am meisten geholfen hat, ist ganz genau hinein zu spüren, was die beiden sich gewünscht hätte. Meine Oma hat zu Lebzeiten auch mal zu mir gesagt: „Du weinst aber nicht so sehr, wenn ich mal weg bin, oder?“ Natürlich kann man die Emotionen nicht einfach so abstellen, aber nach einer gewissen Zeit war es mir trotzdem wichtiger, meine Großeltern in mir weiterleben zu lassen. Und auch wenn das jetzt klischeehafte Beispiele sind: Das mache ich. Wenn ich riesige Sahnetorten oder Weihnachtsstollen backe und einfach alles positiv sehe, lebt meine Oma in mir weiter. Wenn ich Gartenarbeit mache und die Dinge einfach mal pragmatisch sehe, lebt mein Opa in mir weiter. Das hilft mir noch heute ungemein und ich bin überzeugt, dass sie jetzt in diesem Moment sehr stolz auf mich sind.
Ist es wirklich der Tod an sich, vor dem die Menschen Angst haben?
Ich denke eher, dass es zum einen auf persönlicher Ebene die Angst zu Leiden ist und auf der anderen Seite, dass man einen lieben Menschen verliert. Aber ich denke auch, dass es so viel schlimmer ist, eine Person leiden zu sehen und nicht zu wissen, was ihr letzter Wille war. Also sprecht darüber.
Ja, dieses Thema ist höchstemotional und traurig, aber es gehört so sehr zum Leben dazu. Und ich bin dankbar, dass ich in dieser Zeit Menschen um mich hatte, mit denen ich offen reden konnte.
Meine Mama und ich haben und hatten ganz inspirierende Gespräche über das Leben und den Tod und mittlerweile kann ich auch besser damit umgehen und diesen Lebensabschnitt als Teil meiner Geschichte ansehen und ich habe es mir irgendwie zur Aufgabe gemacht, dies zu teilen. Den Tod, das Sterben, Beerdigungen und das darüber Reden zu enttabuisieren.
Hast du dich schon mal gefragt, welche Lieder an deiner Beerdigung gespielt werden sollen? Oder an der Beerdigung von deinen Liebsten? Denkst du jetzt: Nein, darüber denke ich nicht nach?
Warum eigentlich nicht? Ich kann dir sagen, dass die Beerdigungen eine ganz besondere Art der Verabschiedung waren, und ich bin froh, dass ich zu 100 % sicher sein kann, dass es ganz nach den Vorstellungen meiner Großeltern war.
Sprich über das Leben, aber sprich auch über den Tod, bevor es zu spät ist.
Er gehört zum Leben dazu und verbindet uns mit unseren tiefsten Emotionen.
Eine letzte Sache möchte ich dir aber auch noch mit auf den Weg geben. Ich fand es früher immer komisch, wenn Oma und Opa von einer „schönen Beerdigung“ von Freunden oder Verwandten nach Hause gekommen sind. (Tatsache: Im Alter gehören Beerdigungen noch viel mehr zum Leben dazu)
Aber JA, – eine Beerdigung darf schön sein, man darf auch mal Lachen und man darf tanzen oder Fotos in der Sonne schießen (das habe ich beispielsweise gemacht). Eine Beerdigung ist ein Fest, genauso wie eine Taufe oder ein Geburtstag.
Traut euch über das Thema zu Sprechen, eure Geschichten zu teilen und hört auf eure Intuition.
Das ist meine Geschichte, sie hat mich emotionaler, stärker und reflektierter gemacht. Was ist deine Geschichte?