WELCOME TO THE GANG, CHRIS BIRTE KRÜMEL PEANUT!
Eltern werden, Eltern sein. Was ist das eigentlich? Elternschaft ist nicht immer etwas, was man sieht. Manchmal findet sie unsichtbar statt. Warum? Weil manche Kinder (und ihre Eltern) nur für diejenigen sichtbar sind, die bereit sind ganz genau hinzusehen.
Oder, um hier etwas provokanter einzuleiten: Lasst uns über tote Babys sprechen.
BÄMS! Schluck.
Hast Du da gerade „tote Babys“ gelesen? Japp, hast Du. Und überhaupt: Über den Tod reden? Du hast jetzt vielleicht den Impuls lieber weiterzuklicken. Aber, (Achtung Spoiler alert!) wir können Euch sagen: Der Tod gehört zum Leben dazu. Man kann ihm nicht ausweichen. Der alte Trick, dass er einen nicht sieht, wenn man die Augen zukneift, der funktioniert nicht. Keiner von uns kommt hier lebend raus.
Und dann soll es jetzt auch noch um tote Babys gehen? Unangenehm… Traurig… Unbehagen schleicht sich ein. Da weiß man ja gar nicht, was man sagen soll…
Wir haben leider ziemlich viel dazu zu sagen. Denn unser erstes Baby ist gestorben. Und eins vorneweg: Wir sind damit definitiv keine Exoten!
Bis zu 25% aller Schwangerschaften enden vor der 24. Woche, das wird dann Fehlgeburt genannt, wir bevorzugen allerdings den Begriff „Verlustgeburt“. Dazu gesellen sich dann noch Schwangerschaftsabbrüche, Totgeburten, plötzlicher Kindstod oder das Versterben aufgrund von Krankheiten und Unfällen. Und auch, wenn der Großteil der Schwangerschaften glücklicherweise positiv ausgeht, merkt man spätestens jetzt: Wir sind viele. Wenn man dann noch die zugehörigen Personen - Omas, Opas, Freunde, Geschwister- und Folgekinder - mit einrechnet, betrifft es letztlich fast uns alle. Doch viele Menschen verstecken sich hinter einer Mauer des Schweigens, schotten sich mit in hilfloser Sprachlosigkeit (oder in unbedachten Phrasen) ab und verschließen lieber die Augen. Wir haben entschieden, es anders zu machen.
Und was ist uns denn jetzt eigentlich passiert?
2020 sollte unser Jahr werden. Wir hatten eine lange Kinderwunschzeit hinter uns.
(Übrigens auch so ein Thema, über das viel zu wenig öffentlich gesprochen wird. Dabei haben die Kinderwunschzentren wirklich sehr viel zu tun! Mit - Überraschung! - ganz normalen Leuten. Wer also Hilfe benötigt: No shame!)
Dank IVF, der klassischen künstlichen Befruchtung, wurden wir dann schnell schwanger und hätten glücklicher nicht sein können. Bis uns in der 19. Schwangerschaftswoche brutal der Boden unter den Füßen weggerissen wurde. Um es kurz zu machen: Unser Kind war schwerstkrank, eine Chance auf Leben bestand für ihn so nicht.
„Schwangerschaftsabbruch mit Fetozid aufgrund medizinischer Indikation nach pränataler Diagnose“, so nennt es der Mediziner. Das Wort „Abtreibung“ mussten wir zum Glück niemals hören. Wir selbst beschreiben es als „Sterbehilfe“, denn nichts anderes war es. Aus Liebe haben wir unserem Sohn geholfen, den krankheitsbedingt unvermeidbaren Weg auf eine schmerzlose und behütete Art zu gehen.
Ab diesem Punkt hätte es nun still um uns werden können - Ende der Geschichte. Kind tot, Eltern voller verzweifelter Trauer. Doch eigentlich fing sie jetzt erst an. Die Geschichte mit unserem Sternenkind, unser Leben als verwaiste Eltern, Eltern, denen man ihr Elternsein von außen nicht ansieht und teilweise auch aberkennt.
Doch wir wollten uns drei - Vater, Mutter, Kind - zeigen, und unsere Geschichte und die Thematik öffentlich machen. Daher gaben wir unserem Sohn eine Plattform. Seitdem gibt es das Profil @sternen_kruemel auf Instagram und seitdem reist Krümel um die Welt und berührt so manches Herz. Vielleicht werdet ihr eines Tages irgendwo auf einen Aufkleber mit kleinen Fußabdrücken stoßen, Schuhgröße 3,5 cm. Das sind Krümels Fußspuren. Unzählige Freunde, Verwandte, ja sogar uns persönlich fremde Menschen haben uns geholfen, Krümel um die Welt reisen zu lassen - und tun das noch. Er wurde an vielen Urlaubsorten verewigt, fährt auf diversen Fahrrädern, Autos und Wohnwagen mit oder klebt an dem einen oder anderen Kühlschrank. Unser Kind, unsere Elternschaft und unsere kleine Familie wird damit jeden Tag bestätigt und es hilft, die Scherben unserer Selbst nach und nach zu kitten, auch wenn wir niemals wieder so aussehen werden wie vorher und so manches Stück einfach nicht mehr passt.
Als wir unsere Geschichte öffentlich machten, hörten wir neben viel Zuspruch auch viele Selbstöffnungen. Gerade neulich schrieb mir eine ehemalige Kollegin: „Ich hatte drei Fehlgeburten.“ Wow. Drei Leben, drei geliebte Kinder, die sie ziehen lassen musste. Drei Kinder, die nicht gesehen werden und über die kaum gesprochen wird. Aus Scham, aus Trauer (welche in unserer Gesellschaft meist auch nicht gern gesehen ist), vielleicht auch aus Unwissenheit darüber, dass man damit nicht der einzige Mensch auf der Welt ist. Vielleicht auch aus Angst vor diversen Bullshit-Bingo-Sprüchen und Kleinrederei.
Also: Um es allen Bullshit-Talkern an dieser Stelle nochmal ganz unmissverständlich zu sagen: Wenn ein Kind stirbt, dann ist das immer schlimm! Und falls es da Unklarheiten gibt: Kind ist Kind, egal ob es 0,4 oder 50 oder 100 Zentimeter groß ist, egal ob es in der 6. Woche oder nach 2 Lebensjahren verstirbt! Und kleine Geburten sind auch Geburten. Just sayin´.
So, und wer bis jetzt hier noch am Start ist (yay!), den möchten wir einladen mit uns zusammen mutig zu sein. Sprecht über Sternenkinder. Egal, ob es Eure eigenen sind oder nicht. Nennt ihre Namen. Sprecht mit ihren Eltern und lasst sie Eltern sein. Wagt das Unbequeme. Seid laut. Helft mit, damit Sternenkinder an den Platz kommen, wo sie unserer Meinung nach hingehören: In die Mitte der Gesellschaft und vor allem in die Mitte ihrer Familien - als vollständige und anerkannte, nur eben leider abwesende Familienmitglieder. Und habt keine Angst davor, Sternenkinder sind nicht gefährlich. Über tote Babys zu reden, hat noch niemanden umgebracht.
Und besucht natürlich Krümel auf Instagram!! :-)
Wir sind Birte und Chris, wir sind stolze Sterneneltern und um es mit den Worten der Band SDP zu sagen: „…wir sind so schön kaputt, so schön kaputt.“.
Und das ist schon irgendwie ok so.
Wir möchten uns an dieser Stelle von Herzen bei der Good Girl Gang für den Mutausbruch bedanken, auch solche schweren Themen und damit auch diese Seite des Lebens hier zu zeigen. Und weil wir wissen, dass es viele von uns da draußen gibt, die Hilfe und Anschluss suchen, möchten wir gern hier ganz dreist :-) die Gelegenheit nutzen und einige professionelle Ansprechpartner auf Instagram rund um das Thema empfehlen, um vielleicht dem einen oder anderen den Weg zu ebnen. Denn Sterneneltern halten zusammen:
@sternengefluester_ev, @unsere_sternenkinder_rheinmain, @deinsternenkind, @erinnerungsbuch_sternenkinder @hopes_angel_hoffnung_schenken, @sternenkinder_fruehchen, @initiative_regenbogen und neben einer großen aktiven Sterneneltern-Community noch viele mehr.